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Gegen Rechtsextremismus: Zusammen für die Demokratie

  • ljrberlin
  • 5. Jan.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. Juli

Große Demo, jemand hält das Schild "Nie wieder ist jetzt" hoch

Rechtsextremismus ist eine der größten Bedrohungen für die Demokratie. In Zeiten des Rechtsrucks brauchen Jugendverbände Sicherheit, um gut dagegen halten zu können. Wie klappt das in der Praxis?

 

33.963 rechtsextremistische Straftaten hat Bundesinnenministerium 2024 gezählt. Das sind 93 am Tag. Und die Dunkelziffer dürfte noch deutlich darüber liegen. Natürlich geht diese Entwicklung auch an Jugendverbänden nicht spurlos vorüber. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder rechtsextremistisch motivierte Angriffe auf Jugendverbände, von Schmierereien bis hin zu Brandanschlägen auf Jugendclubs. In den Parlamenten stellt die AfD immer wieder die Förderwürdigkeit von Jugendverbänden infrage. Bei Landtagswahlen holt die AfD mittlerweile bis zu 34 Prozent der Stimmen – als eine Partei, die vom Verfassungsschutz in weiten Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Die Verschiebung von Diskursen, die die AfD befeuert, wird seit Jahren immer gesellschaftlich akzeptierter; inzwischen hat sich gar ein gefährlicher „Gewöhnungseffekt“ eingeschlichen.

 

Wer heute 16 Jahre alt ist, war bei Parteigründung der AfD drei Jahre alt. Seit ihrer Kindheit kennen junge Menschen die AfD als „ganz normale“ Partei, die eben auch gewählt wird. Dazu übernehmen auch demokratische Parteien seit Jahren menschenfeindliche Positionen, reden von illegaler Migration, Abschiebung und von Grenzen, die geschlossen werden müssen. Ursprüngliche Haltungen der AfD werden so legitimiert und normalisiert. Solche Positionen zu übernehmen, bringt demokratischen Parteien jedoch nicht mehr Punkte, wie die letzten Wahlergebnisse zeigen. Die „Normalisierung“ von menschenfeindlichen Positionen führt bei Fachkräften in der Jugendarbeit letztendlich zu Unsicherheit, wie man sich dann noch vehement gegen Rechtsextremismus stellen kann.

Es ist umso wichtiger geworden, Haltung gegen Rechtsextremismus zu zeigen. 

Natürlich kommt es auch bei Ferienfreizeiten oder Wochenendfahrten von Jugendverbänden zu diskriminierenden oder menschenverachtenden Äußerungen von Kindern und Jugendlichen. Die Leiter*innen der Angebote müssen dann handlungsfähig in der Auseinandersetzung sein. Gegen Unsicherheit hilft ihre Stärkung, zum Beispiel durch Fortbildungen, Vernetzungstreffen, Workshops und Seminare. Bei der Landesjugendring-Fortbildung im Juli stand genau dieser Umgang mit grenzüberschreitenden oder rechtsextremen Äußerungen von Jugendlichen auf dem Programm. Die zentralen Fragen: Wie kann ich gegen Menschenverachtendes argumentieren, wie erreiche ich junge Menschen, die sich gerade radikalisieren, wann muss ich Hilfe suchen? Es ist elementar, Fachkräfte auf diese Herausforderungen vorzubereiten, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen das nötige Rüstzeug gegen rechtsextreme Denkweisen an die Hand zu geben.

 

Auch in den Berliner Jugendverbänden gehören derlei Angebote längst zum Repertoire: Beim Workshop der BUNDjugend Berlin ging es um rechtsextreme Ideologien im Naturschutz und um die extreme Rechte zwischen Klimawandelleugnung und Klimanationalismus. Die Schreberjugend schulte mit Unterstützung des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ zum Widerspruch gegen „Hassrede und Geschwurbel“, und auch bei der Hauptausschuss-Klausur des Landesjugendring Berlin stand das Thema auf der Agenda: In vier Arbeitsgruppen konnten sich Vertreter*innen aus 37 Jugendverbänden mit Strategien gegen Diskriminierung und menschenverachtende Einstellungen auseinandersetzen. Dabei ging es auch um Unvereinbarkeitsbeschlüsse, Übergriffe, Prüfungen und Anfeindungen von Rechtsextremen sowie Jugendverbänden als Schutzräume für von Rassismus betroffene Personen. Das Motto: „Zusammen gegen Rechtsextremismus“.


Hauswand mit Graffiti: "Deutschland, du hast ein Rassismusproblem"
Julia Tulke auf flickr.com, CC BY-NC-SA 2.0

Seit jeher sind Jugendverbände Werkstätten der Demokratie. Hier lernen Kinder und Jugendliche, sich für ihre Interessen einzusetzen und mitzuentscheiden, egal ob im Lagerrat der Ferienfreizeit oder mit kreativen Abstimmungsformen in Gremien. Sie erfahren hier, dass sie aktiv mitgestalten können und was Vielfalt, Solidarität und Menschlichkeit bedeuten. Jugendverbände haben immer einen demokratischen Bildungsansatz. Hier wird Gemeinschaft gelebt, Diskriminierung und Ausgrenzung haben keinen Platz. Der AfD ist das scheinbar ein Dorn im Auge. Werden rechtsextreme Haltungen jedoch immer mehr gesellschaftlich normalisiert, wird auch die kritische Auseinandersetzung damit erschwert. Gleichzeitig versuchen Demokratiefeinde und extreme Rechte den Irrtum zu verbreiten, Jugendverbände müssten sich politisch neutral verhalten.

 

Das staatliche Neutralitätsgebot gilt für Jugendverbände nicht, anders als die AfD immer wieder behauptet. Die AfD will die Auseinandersetzung mit politischen Inhalten in der Jugendarbeit unterbinden – obwohl Jugendverbände, Jugendbildungsstätten und freie Träger der Jugendarbeit sehr wohl einen demokratischen Bildungsauftrag verfolgen und sich auf Basis ihrer Satzungen kritisch mit diskriminierenden und menschenfeindlichen Positionen von Parteien auseinandersetzen können. Jugendverbände sollen sogar eigenverantwortlich „unter Wahrung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens“ tätig sein und dafür vom Staat gefördert werden. So steht es in Paragraph 12 des SGB VIII, dem Gesetz der Kinder- und Jugendhilfe. Weil sie eben keine staatlichen Organisationen sind, sind Träger der Jugendarbeit dem Neutralitätsgebot nicht verpflichtet. Vor der Europawahl rief der Landesjugendring Berlin daher auch offen dazu auf, die AfD nicht zu wählen. Es ist umso wichtiger geworden, Haltung gegen Rechtsextremismus zu zeigen. Allein deshalb können Jugendverbände in diesen Zeiten nicht neutral sein.

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